Freitag, 23. Oktober 2015

Lena

Zum Gedenken Lena

geboren am: 3.9.95 Diagnose: 17.11.2014 gestorben: am 12.06.2015 am Glioblastom



Danke Sybille für Deine Geschichte. 


Liebe Monja

Lena war ja relativ schnell nach dem "Rezidiv" völlig bewegungslos. Es war sehr schwer, meine Maus so zu sehen. Sie konnte sich nicht mal mehr alleine kratzen. Ich musste sie öfters am Tag und in der Nacht auf die andere Seite drehen.

Aber sie war bei klarem Verstand. Es war grausam. Die Ärzte sagten am 05.05.15 Lena könnte nun jede Minute versterben, da der Tumor am Atemzentrum liegt. Sie hatte im Höchstfall noch ein bis 3 Tage. 

Doch alles kam anders. Lena war wohl noch nicht bereit. Immerzu sagte sie, ich kann meine Mami nicht alleine lassen. Immer lag ich bei ihr im Bett und sie sagte dann: Mami, kannst du es spüren, ich umarme dich gerade. Es war so grausam. 

Dann brauchte Lena einen Blasenkatether. Das Essen viel ihr immer schwerer. Sie hatte sich immer verschluckt. Ich mochte Zuhause gar nicht mehr kochen für uns. Sie hat doch für ihr Leben gerne gegessen.

Wir versuchten eine Magensonde zu legen. Da Lena aber extrem viel Schleim in Rachenraum und Lunge hatte, war es nicht möglich. Sie war auch schon an dem Punkt, dass sie gar kein Hunger mehr hatte. Es ging nur um das Ritual essen. Der Schleim wurde immer mehr und Lena viel es schwer, diesen abzuhusten. Dann hohes Fieber, Blasenentzündung. Ihr blieb wirklich nichts erspart. 

Sie war so tapfer. Nie ein klagen. Irgendwann sagte sie mir, sie würde gerne leben aber nicht so. Sie hätte nur Angst, dass sie "da oben" alleine ist. Dann fiel ihr das Sprechen schwer. Sie plante noch ihre Beerdigung. Und immer wieder die Worte, ich liebe dich Mami, du machst alles für mich, ich kann dich nicht alleine lassen. Wer soll dann auf dich aufpassen.

Irgendwann konnte sie nicht mehr sprechen und dennoch konnte ich sie verstehen. Es war jetzt wirklich Zeit für Lena zu gehen, das musste sogar ich einsehen. Bevor sie nicht mehr sprechen konnte, fragte sie mich, ob es für mich in Ordnung wäre, wenn sie nachts geht, wenn ich schlafe. Ich fällt der Abschied so schwer. Ich bejahte. So hat meine Maus es dann auch gemacht. Um 4.00 Uhr nachts atmete sie noch. Ich schlief bis 5.50 Uhr ein. Meine Maus war gegangen...





Mittwoch, 21. Oktober 2015

Suena

Zum Gedenken an Suena

Sie feierte am 22. August ihren 7.  Geburtstag und am 19. Oktober starb sie.

am Glioblastom

Trauer kann man nicht sehen,
nicht hören,
nur fühlen.
Sie ist ein Nebel
ohne Umrisse.
Man möchte diesen Nebel packen
und fortschieben.
Aber die Hand
fasst ins Leere.








Suena, lebte nach der Diagnose noch 10 1/2 Monate.

Sie bekam keine Chemotherapie und keine Bestrahlung. Kein Cortison. Sondern nur eine Operation. Suena nahm Weihrauch und der Heiler Ewald Janssen behandelte sie täglich in Holland. Sie fuhren zu ihm, als sich herausstellte, dass es ein Glioblastom war und sie lebte dort für längere Zeit mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. Es ging Suena gut, sie hatte eine schöne Zeit dort, spielte mit anderen Kindern und sie hatte unter keinen Einschränkungen zu leiden.

In Oldenburg wurde ein Kontroll MRT gemacht, das zeigte dass der Tumor im Hirnstamm nicht weiter wuchs!

Aber Suena hatte große Sehnsucht nach Zuhause, nach dem Papa und sie fuhren wieder zurück in die Schweiz. Trotz Fehrnbehandlung wurde sie immer schwächer. Schließlich schloss sie in der Nacht vom 19. - 20. Oktober für immer ihre Augen, als sie, wie so oft, händchenhaltend zwischen Mama und Papa im Bett lag.

Suena Homepage
Ewald Janssen

Du warst so fröhlich und so gut,
Du starbst so früh, wie weh das tut.
Es ist so schwer, es zu verstehen,
wir freuen uns auf den Tag wo wir uns alle wiedersehen. 

Danke Renate, dass Du mir Deine Geschichte erzählt hast und dass ich sie hier teilen darf. 

Sonntag, 11. Oktober 2015

Lukas

Der kleine Seelenvogel spürte,
dass er sich nun auf die Reise begeben musste.
Leise sprach er zu seinen Gefährten:

"Liebe, niemals war ich ohne dich!"
"Freundschaft, mit dir habe ich so vieles geteilt!"


"Geborgenheit, mit dir habe ich mich so wohl gefühlt!"
Da machten sie sich bereit, ihn zu begleiten.
Hoch hinaus flog nun der kleine Vogel
in da unbekannte Land und war ganz ruhig,
ganz ruhig und ohne Angst,
denn er war nicht allein.

Eine ergreifende Email von Ladina, die zwar schon etwas älter ist,
aber die mich, nach wie vor tief berührt.... 
Liebe Monja 

Ich glaube auch, dass wir irgendwo auf eine andere Art, mit anderer Materie vielleicht, mit unserer Seelenenergie weiterleben und es uns dort gut gehen wird und wir nicht mehr krank werden können. Das ist auch mein Trost, wenn mir der Schmerz über den Verlust dieses so lebensfrohen, feinfühligen Buben wieder fast den Atem nimmt. Es ist 20 Jahre her, seit Lukas mit knapp 10 Jahren starb - bei ihm war es ein Ponsgliom. Es und das Glioblastom haben die allerschlechteste Prognose bis heute. Lukas wusste, dass dieses Ding in seinem Kopf immer grösser werden wird und ihm das Leben rauben würde. Der Kinderonkologe war offen mit ihm und mit uns - wir sollten Träume lieber heute als morgen leben. Als uns im Auto später die Tränen zu laufen begannen, sass er hinten im Auto und sang ein Kinderlied an die Sonne, die doch wieder scheinen möge. Und er fragte uns, warum wir denn weinen! Und als wir sagten, die Mami, der Papa und ich seine Patin, dass wir traurig wären über das, was uns Prof. Niggli da gesagt hatte, dass er bald nicht mehr leben dürfe, da sagte Lukas: Aber jetzt bin ich doch noch da und ich will leben und es schön haben, jeden Tag.
Es gab keine Chemo für Lukas, doch er wurde eine Weile bestrahlt und der Tumor schrumpfte ein wenig, die Lebensqualität von Lukas aber war in dieser Zeit gleich null. Er lag nur noch reglos da, mit offenen Augen.
Ich will wieder leben und spielen - sagte er immer.
Als die Bestrahlung abgebrochen wurde, taute er auf wie der Boden im Frühling, das Lachen brach wieder durch, die feinfühlige Art, er pflegte wieder sein Gärtchen draussen, sorgsam auf die Insekten achtend, die ihm immer viel bedeutet hatten und er war wieder Lukas.
Ein halbes Jahr liess uns der Tumor Zeit, dann raubte er Lukas mit einem Schlag das Augenlicht, die Sprache und die Bewegungsfreiheit, wenige Tage zuvor hatte Lukas mit uns über das Sterben gesprochen, was er sich wünschte, wie er sich das dann vorstellte - wir denken, er hat gefühlt, dass es Zeit dazu war. 4 Wochen lag er danach in einer Art Koma und starb dann ganz friedlich zu Hause.

Was mir bis heute weh tut, wie sehr ihm unrecht getan wurde, bevor endlich die schlimme Diagnose bekannt wurde. Er war frisch in die 2. Klasse gekommen und ihm war oft übel, er musste am Morgen erbrechen - nüchtern und fühlte sie kraftlos. Und er ist so vergesslich geworden. (Lukas ging schon als kleiner Bub immer gerne in den Dorfladen um für Mama einzukaufen. Einen Zettel brauchte er nie. Jetzt war es so, dass er immer einen Zettel brauchte und eines Nachmittags verlief er sich gar, weil er den Weg nach Hause nicht mehr fand!)Ich hatte selber als Kind einen Hirntumor (gutartig) doch ich kannte dieses Nüchternerbrechen. Bei mir schrillten alle Alarmglocken, zumal Lukas Kopf im Stirnbereich sich zu erweitern schien. Daher trieb ich seine Mama an, Lukas dem Kinderarzt vorzustellen und explizit zu sagen, dass er am Morgen erbricht und sich vom Dorfladen nach Hause verlaufen hätte.
Das tat sie, aber er nahm das alles gar nicht ernst. Er nannte Lukas ein schulfaules Kind! Oder es sei die Psyche. Als sie sagte, ich als Patin hätte dieses Nüchternerbrechen auch gehabt und es sei ein Gehirntumor gewesen, lachte er sogar und nannte sie hysterisch und sagte, man müsse nicht immer gleich das schlimmste annehmen und den Teufel an die Wand malen - -das solle sie mir, der Patin ausrichten. Hirntumore wären selten.
Er machte weder den Nasenspitzentest, noch den Augenschliesstest noch das motorische "auf einem Seil -Tänzeln" mit Lukas.
Er solle früher ins Bett gehen, nicht so viel Gameboy spielen und am Abend keine Bonbons mehr essen - das war alles, was er Lukas sagte.

8 Wochen danach brach Lukas im Pausenhof bewusstlos zusammen. Es gab endlich ein MRI. Da sah man den Tumor und nach der PE wurde deutlich, man kann nichts machen, nur lindern. Der Trost darin, man hätte auch bei früherer Entdeckung nichts machen können, aber lindern, statt ihm solche Sachen wie Schulfaulheit und ähnliches an den Kopf zu werfen. Wie einsam er sich wohl gefühlt hat, unverstanden, missverstanden, mit liebenden Eltern und Paten zwar, aber doch in sich allein mit den Kopfschmerzen, der Übelkeit, dem sich Verlieren...

Weisst Du, noch heute läuten bei mir die Alarmglocken, wenn ich Kinder sehe, die sehr dominante Stirnbereiche haben - ich habe dies auch auf den Fotos Deine Laos gesehen, einfach irgendwie ein zu grosser oberer Schädel - das ist die Raumforderung und wenn Wasser in Gewebe dringt.
Bei einem weiteren Kind, dessen Mama ich sehr gut kannte, habe ich einmal angetönt, das mich das bei diesem Kind beunruhigt, weil ich es kenne und mit der Geschichte von Lukas und weiteren Kindern mit Hirntumor in Verbindung bringe. Sie hat mir eine geklebt! Und den Kontakt zu mir abgebrochen. Zum Teufel, was "wünschst" Du meinem Kind, hat sie gesagt - und nicht zugehört, als ich sagte, das ist doch kein Wunsch, doch vielleicht solltest Du es mal dem Arzt vorstellen. Ein Jahr später las ich die Todesanzeige in der Zeitung, von einem bösen Tumor im Kopf war die Rede. Und mich fror und es friert mich bis heute.

Es ist einfach in den Köpfen vieler Kinderärzte bis heute nicht angekommen, dass Kinder Hirntumore haben können und dass sie im Kindesalter neben der Leukämie die häufigste Krebsart sind.
Man wartet in vielen Fällen viel zu lange mit dem MRT.

Wurdet Ihr gut betreut und Lao? Wir waren in der Kinderonkologie auch wie auf einem anderen, sehr fürsorglichen Planeten. Doch das Auslachen und das nachträgliche Ausweichen und die Ausreden des Kinderarztes, der sich bis heute nie mehr meldete oder sich entschuldigt hätte für sein Nicht-Eingehen auf sehr deutliche Anzeichen, das ist vor allem auch für Lukas Mama noch immer ein Schmerz.

Zurück zu Lao und Lukas - ich denke, wenn wir sie in Gedanken mit uns tragen, so fühlen sie das und wenn wir wieder lachen und uns an etwas freuen können, so freuen sie sich mit uns, denn wir sind in der Liebe unsterblich miteinander verbunden.

Trotz allem bleibt es ein schwerer Verlust, vor allem für die Eltern, wo es keinen echten Trost gibt und einzig das Mitfühlen ihnen vielleicht helfen kann.

In diesem Sinne, ich fühle mit Dir mit, gerade auch in diesen Tagen, wo wir uns gefreut haben am Strahlen der Augen jenes Kindes, das wir jetzt nicht mehr begleiten dürfen. Zum Glück bleiben uns kostbare Erinnerungen an Worte, Taten und Wesen dieses Kindes unsterblich in uns drin. Das nimmt uns niemand mehr.

Und so wünsche ich Dir, auf die bevorstehenden Festtage viel Kraft und schöne Erinnerungen, die neben den Tränen vielleicht auch ein Lächeln auslösen, aus Dankbarkeit, dieses Kind gekannt zu haben.

In herzlicher Verbundenheit

Ladina

Freitag, 9. Oktober 2015

Maurice

Zum Gedenken an Maurice, auch er ist mit 7 Jahren gestorben.


Mami - ich lebe, in einer anderen Welt. Hier zählt nur Liebe, kein Gold und kein Geld. Mami - ich lebe, nur anders als auf Erden. Wisse, hier wird Jeder glücklich werden. Mami - ich lebe, bin immernoch da! Sprich mit mir, denn ich bin Dir ganz nah... Mami - ich lebe und schenk mir Vertraun, für uns gibts ein freudiges Wiederschaun. Mami - ich lebe und ich liebe Dich so. Denn die Liebe die bleibt und macht mich sehr froh. Mami - ich lebe und ich wünsch mir von Dir, dass Du Dein Leben lebst - ich seh es von hier! ...und da ist was wahres dran..

Maurice hat nach der Diagnose noch 10,5 Monate gelebt. Wir hatten op und Bestrahlung und Chemo. Drei Monate nach der Diagnose beim MRT war alles gut. Trotzdem ging es mit der Chemo weiter. Weitere drei Monate später fand man die Metasen im Kopf und man gab die Hoffnung auf. Ich aber nicht. Zu diesen Zeitpunkt waren wir in München in Behandlung. Es war ein Feitag als man mir die Mitteilung überbrachte... ich habe rum telefoniert bis ich bei Professor Dr. steinbach in Ulm gelandet bin. Dort sind wir dann am Montag gleich in eine neue Studie aufgenommen worden, die sog. RIST - Therapie. Es ging alles bergauf bis Anfang Oktober, da bekam Maurice eine Blinddarmentzündung und hat damit sein Immunsystem kaputt gemacht. Man hat festgestellt, dass er keine eigenproduktion der Leukozyten mehr macht und die Therapie wurde eingestellt. Man hatte Angst, das jede weitere Chemo tödlich für ihn wäre.

Das war Mitte November. Dann hat man uns darauf vorbereitet, entweder Hospiz oder nach Hause. Wir wollten nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt ging es Maurice immer noch richtig gut. Das Krankenhaus organisierte alles für den 3. Dezember, dort sollte es dann mit dem Krankenwagen nach Hause gehen. Ungefähr drei Tage vorher, fingen die Schmerzen im Knie an.

und er wurde schwächer.

am 3. Dezember dann haben, wir entschieden dass er nicht transportfähig sei und ob es eine andere Alternative gibt. Ja, wir sollten dann geflogen werden. Alles wurde mit der Krankenkasse besprochen. Es sollte um 14 Uhr losgehen. Um 12 Uhr teilte man uns mit, dass der Flug um einen Tag verschoben werden sollte...

Naja, um 14 Uhr sagte mein Sohn (er skonnt nur ganz leise sprechen, weil der Tumor auf sein Sprachzentrum sass) ich solle zu ihm kommen. Er küsste mich die ganze Zeit auf dem Mund und sagte die letzten Worte zu mir:

Mama, ich habe dich lieb von Erdboden bis zum Mond und wieder zurück! Darauf antwortete ich, ich dich auch und sagte, ich Dich auch. und jetzt schlaf schnell, morgen fliegen wir zu Oma... danach wachte er nie wieder auf. Ich war bis zur letzten sekunde dabei. Er war mit das beste was mir je passieren konnte. Er hat mir die letzten Monate soviel beigebracht z. b. das Leben zu schätzen, kleine Dinge auch zu schätzen, was früher selbstverständlich war...solche sachen... das stimmt, dann fühlt man sich, als wenn man mit gestorben... die erste Zeit leif den ganzen tag der Fernseher, damit ich überhaupt Stimmen höre.

Maurice hatte ein halbes Jahr vorher noch einen Hund bekommen, den er sich so gewünscht hatte. Die kleine Emma. So hatte ich wenigstens eine Aufgabe nach dem Tod, mich um Emma zu kümmern...

Maurice Geb. 13.03.02 gest. 03.12.09 am Glioblastom 

Danke, Stephanie für Deine Geschichte.... 




Donnerstag, 8. Oktober 2015

91 Kinder starben





 | 08.36 Uhr

Hirntumor
Wenn Kinder an Krebs erkranken

Fakten: Die zehn größten Krebs-Mythen und ihre Wahrheit
Fakten: Die zehn größten Krebs-Mythen und ihre WahrheitFOTO: Shutterstock/ Juan Gaertner

Homburg. Im vergangenen Jahr starben 91 Kinder bundesweit an einem Hirntumor - diese Krebsart war damit die häufigste Todesursache in der Kinderonkologie. 33 Todesfälle gingen auf das Konto der Leukämie, einer Krebskrankheit, die aber häufiger geheilt werden kann. Von Christine Maack
In Deutschland erkranken pro Jahr durchschnittlich 1800 Kinder im Alter bis zu 15 Jahren an Krebs. Das ist schlimm. Doch in absoluten Zahlen ist Krebs bei Kindern zum Glück in Deutschland selten. Das Deutsche Zentrum für Krebsregisterdaten hat errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit für ein neugeborenes Kind, innerhalb der ersten 15 Lebensjahre eine bösartige Erkrankung zu erleiden, bei 0,2 Prozent liegt. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, starben im vergangenen Jahr 91 Kinder zwischen einem und 15 Jahren an einem Hirntumor - diese Krebsart war damit die häufigste Todesursache. An fünfter Stelle der Todesursachen-Statistik erscheint die nächste Krebsart: 33 Todesfälle bundesweit gehen auf das Konto der Leukämie.
Den vergleichsweise seltenen Krebserkrankungen kommt jedoch eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit zu. Dies hat unter anderem zur Gründung von Elternvereinen geführt, der medizinischen Versorgung im psychosozialen Bereich und der Forschung reichlich Mittel beschert und dazu geführt, dass die Mediziner heute sehr vielen kleinen Patienten sehr gut helfen können.
Was kaum bekannt ist: Über 80 von 100 an Krebs erkrankten Kinder können heute geheilt werden, bei einer Krebserkrankung im Nierenbereich sind es sogar 90 Prozent. Für Norbert Graf, Professor für Pädiatrie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg und Leiter der Klinik für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, ist dies der Verdienst klinischer Studien: "95 Prozent aller an Krebs erkrankten Kinder werden nach den Erkenntnissen klinischer Studien behandelt." Das garantiere eine Behandlung auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. So haben sich die Prognosen seit den 70er Jahren, als die ersten Studien erstellt wurden, stetig verbessert.
Norbert Graf, der bei vielen Studien mitarbeitet und selbst eine Studie über kindliche Nierentumoren leitet, schätzt die internationale Vernetzung: "Wir haben Mediziner aus Südamerika und aus Osteuropa ebenso im Boot wie aus den USA und natürlich Westeuropa. Wir arbeiten alle nach demselben Schema." Damit sei gewährleistet, dass ein an Krebs erkranktes Kind in Moskau oder in Buenos Aires genauso behandelt werde wie in Düsseldorf oder in Paris - und auch die gleichen Chancen habe, die Krankheit zu überleben. Das betreffe nicht nur die Art der Behandlung, sondern auch die Dosierung der Medikamente oder der Strahlentherapie. "Es geht natürlich in erster Linie ums Überleben. Aber wir wollen die Behandlung für die Kinder so schonend wie nur möglich gestalten. Auch darüber gibt es einen internationalen Austausch in den so genannten Therapieoptimierungsstudien".
Die häufigste Krebsart bei Kindern sind Leukämien. Sie machen nach Angaben des Kinderkrebsregisters in Mainz mehr als ein Drittel aller Krebserkrankungen bei unter 15-Jährigen aus, Jungen erkranken häufiger als Mädchen. Warum das so ist, ist nicht bekannt. Dank intensiver medizinischer Forschung steigt die positive Prognose bei Leukämien im Kindesalter ständig und liegt bei der häufigsten Form, der akuten lymphatischen Leukämie, derzeit bei fast 90 Prozent. Die zweithäufigste Krebserkrankung sind Hirntumore, gefolgt von Lymphomen (Lymphknotentumoren), Tumoren in der Niere oder Nebenniere und Sarkomen (Tumore in Knochen oder Weichteilen). Im Unterschied zu Erwachsenen, bei denen sich Karzinome bevorzugt in der Haut oder der Schleimhaut ausbreiten, ist diese Art bei Kindern äußerst selten, erklärt Norbert Graf. Warum ein Kind an Krebs erkranke, sei bis heute nicht geklärt: "Man weiß es nicht, auch eine genetische Anlage lässt sich in den meisten Fällen nicht feststellen." Es sei denn, in einer Familie tritt beispielsweise ein vererbbarer Tumor, zum Beispiel ein Retinoblastom (Tumor der Netzhaut des Auges) oder eine besondere Form eines Schilddrüsenkarzinoms (medullärer Typ) auf: "Das kommt selten vor, aber wenn es der Fall ist, handeln wir sofort und untersuchen auch die Geschwister, um einer Erkrankung vorzubeugen."
Ungeklärt ist bisher, warum bestimmte Krebserkrankungen bei Kindern in unterschiedlichem Alter vermehrt auftreten: "Abhängig von der Erkrankung zeigen sich unterschiedliche Altersgipfel. So treten Nierentumoren oder Nebennierentumoren häufiger bei Kindern unter fünf Jahren auf, während Sarkome und Lymphome bei Schulkindern und Jugendlichen am häufigsten sind". Die Behandlung erfolgt abhängig von der Diagnose über Chemotherapie, Bestrahlung sowie über die operative Entfernung von Tumoren. Die psychosoziale Betreuung des Kindes und der Familie ist dabei immer Bestandteil der Therapie.
Und wie sieht die Zukunft aus? "Wir sind bei unseren Studien inzwischen auf einem Plateau angekommen, wo eine weitere Verbesserung mit herkömmlichen Therapien kaum noch möglich erscheint", erklärt Graf. Den nächsten großen Schritt in der Krebsforschung erwartet der Kinderonkologe in Möglichkeiten der Molekularbiologie: "Es werden ja schon Medikamente hergestellt, die Tumoren gezielt angreifen und zerstören. Wir kommen in die Richtung einer personalisierten Medizin."


Quelle: RP